„Flip & Write“ bezeichnet neudeutsch eine Spielkategorie, bei der nacheinander Karten aufgedeckt werden und alle das Ergebnis auf ihrem Blatt eintragen. Das Prinzip ist von Würfelspielen („Roll & Write“) gut bekannt. Damit lassen sich aber durchaus anspruchsvollere Spiele kreieren als „Kniffel“ und Co. „Fliptown“ ist so ein Beispiel.
In diesem Kennerspiel sind wir im Wilden Westen unterwegs und versuchen, durch das clevere Ausnutzen von Pokerkarten an Gold und Geld zu kommen. Fünfmal pro Durchgang werden drei Karten aufgedeckt. Eine davon wählen wir für unser persönliches Pokerblatt. Mit den beiden anderen machen wir Aktionen auf unserem abwischbaren Spielertableau.
Von einer der Karten nutzen wir die Spielfarbe: Mit Herz reiten wir durch die Wildnis, mit Karo schürfen wir in einer Mine nach Gold. Mit Kreuz besuchen wir ein Geschäft in der Stadt und mit Pik schließlich klauen wir Vieh oder rauben gar Postkutschen aus. Das ruft allerdings den Sheriff auf den Plan, der es auch nicht gern sieht, wenn wir auf dem Friedhof herumstreunen. Nimmt er uns am Ende eines Durchgangs fest, kostet uns das viel Geld.
Das hört sich alles thematisch dicht an und das ist es auch. Es kostet aber Zeit fürs Erklären: Allein in der Stadt gibt es 13 verschiedene Läden, die alle anders funktionieren. Jede Ebene der Mine birgt eigene Überraschungen. Bis das alles verstanden ist, dauert es. Die erste Partie ist lang. Besser wird es, wenn sich alle in Fliptown auskennen. Aber auch dann muss man warten.
Denn neue Karten werden erst aufgedeckt, wenn alle am Tisch die drei aktuellen auf ihrem Plan eingetragen haben. Gehen wir also mit einer Karokarte in die Mine, und graben dort mit einer Neun? Oder nutzen wir die Herz 9 lieber, um durch die Wildnis zu reiten und nehmen für die Distanz die 4 von der Karokarte?
Durch das Ankreuzen auf unserem Plan können wir Sonderaktionen bekommen und so Kettenreaktionen auslösen. Alle anderen schauen dabei aber zu. „Fliptown“ ist ein Solitärspiel, bei dem jeder vor sich hinbastelt. Kontrollieren kann man andere kaum. Dafür funktioniert die Solo-Variante gut.
Wenn es in „Fliptown“ rollt, macht das Spaß. Doch der Glücksfaktor ist hoch, und im Wilden Westen geht halt auch mal etwas schief. Die Eintragungen mit dem abwischbaren Stift verschmieren schnell, nicht jeder führt so sauber Buch wie auf dem Foto oben. Dazu sind die Symbole und Texte auf dem arg komprimierten Tableau viel zu klein geraten. Das ist nur etwas für Cowboys mit Adleraugen und gibt deshalb hier gleich einen Punktabzug.
„Fliptown“ von Steven Aramini (Strohmann Games); für 1-4 Spieler ab 12 Jahren, ca. 30-45 Minuten, ca. 26 Euro.
geht so Kennerspiel
Besprechung mit vergünstigtem Rezensionsmuster
„Ducksch spielt“, ein Blog von Stefan Ducksch mit wöchentlichen Kritiken/Rezensionen zu Brettspielen und Kartenspielen. Ich schreibe über Kinderspiele, Erwachsenenspiele, Familienspiele, Kennerspiele, Könnerspiele und Expertenspiele. Alle Texte und Bilder (c) Stefan Ducksch 2024.
Offen gestanden finde ich 3 Punkte noch großzügig. Fliptown versucht, die Komplexität eines großen Brettspiels in ein Ankreuzspiel zu pressen und scheitert dabei grandios. Zu viele Regeln, zu viele Felder, viel zu wenig Platz und viel zu dicke Stifte. Dazu eine grandios langweilige grafische Gestaltung und ein rein solitäres Spielerlebnis.