Prinzessinnen, Dämonen und kurze Planken
- Neue Stich-Kartenspiele

Wem bei Stich-Kartenspielen nur klassische Kneipenzockereien wie Skat oder Doppelkopf einfallen, liegt falsch. Das Spielegenre überrascht seit Jahren immer wieder mit originellen Ideen zum Thema Ausspielen, Bedienen und Stechen. Ich stelle hier fünf neue Stichspiele vor, die alle an mindestens einem Punkt sehr besonders sind. Und die man mehr als einmal spielen muss, um sie zu beherrschen.

Dicker Fang bei hohem Seegang: Fischen

Das kleine, grüne Kartenspiel „Fischen“ macht einiges anders. Hier stellen wir uns unsere Karten für die nächste Partie selbst zusammen. Denn wir spielen mit den eigenen Stichen weiter. Das klingt bereits ungewöhnlich, doch Autor Friedemann Friese setzt noch eins obenauf: Das Stichspiel wird mit einer Art Deckbau kombiniert. Denn wer zu wenige Karten gewonnen hat, um mit ihnen weiter mitspielen zu können, bekommt neue vom verdeckten Stapel in der Mitte. Und die Karten dort sind besser, als die, die wir zu Beginn haben! Es gibt nun Trümpfe, und teilweise ermöglichen sie Sonderaktionen.

Das sorgt für originelle Spielverläufe. Häufig wollen wir anfangs keine Stiche machen, weil uns dann die anderen ihre kleinen Fische dazugeben, mit denen wir in den nächsten der insgesamt acht Runden weiterspielen müssen. Besser also, erst mal zu verzichten, um starke Karten anzuhäufen. Allerdings zählt jede gewonnene Karte auch einen Punkt. Also müssen wir irgendwann doch anfangen, Stiche zu machen und Karten zu sammeln. „Fischen“ erzeugt so Wellenbewegungen wie bei hohem Seegang: Mal will der eine punkten, dann die andere. Wir sollten damit nur rechtzeitig loslegen, bevor die Partie vorbei ist. Das ist originell und spannend zugleich.

„Fischen“ von Friedemann Friese (2F-Spiele); für 3-5 Spieler ab 10 Jahren, ca. 40 Minuten, ca. 15 Euro.

schön        Kennerspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Über die Planke: Skull Queen

Wenn Autor Stefan Dorra ein neues Stichspiel herausbringt, sollte man es sich immer genau anschauen. „Skull Queen“ ist übrigens kein Nachfolger von „Skull King“ (2014), das mittlerweile bei Ravensburger gelandet ist. Sondern eine frische Idee, die bereits während der Stiche für Emotionen am Tisch sorgt. Unsere Kaperfahrt auf dem Piratenschiff sorgt nach fast jeder Karte dafür, dass sich einer der vier Piraten auf unserer persönlichen Planke bewegt. Plumpst er herunter, macht er diese Runde schon mal keine Punkte.

Um das zu verhindern, versuchen wir vor jeder Partie unsere Kartenhand einzuschätzen. In welcher Farbe machen wir wohl viele, in welcher wenige Schritte? Entsprechend stellen wir die Mannschaft auf unserer Planke auf. Wir können sogar auswählen, wie herum wir sie legen, um viele Punkte zu bekommen. Wer die höchste oder die niedrigste Karte in den Stich legt, muss den Piraten der Farbe bewegen. Manche Karten sorgen für Doppelschritte und so für große Wackeleien. Genial ist die Idee, dass Einzelkarten anderer Farben offen in die Mitte kommen. So können später Bewegungen in mehreren Farben ausgelöst werden. Ein Effekt, der vor allem bei fünf und sechs Spielern beeindruckt. „Skull Queen“ kommt mit schlanken Regeln aus und ist von den Spielen hier das einfachste. Und hat deshalb Dauerbrenner-Potential.

„Skull Queen“ von Stefan Dorra (Schmidt); für 2-6 Spieler ab 10 Jahren, ca. 30 Minuten, ca. 15 Euro.

super           Kennerspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Bedienen verboten: Aurum

Eine Augenweide ist „Aurum“, in dem wir als Alchemisten Metall in Gold verwandeln wollen. Schlanke, hübsch gestaltete Karten liegen in einem Schatzkästchen, gewonnene Runden werden mit einem dicken Goldklumpen belohnt. Sammeln wir davon zwei, sind wir die Sieger. Zu viert spielt man „Aurum“ als Team gemeinsam mit dem gegenüber sitzenden Mitspieler. Vor der Partie sagen wir an, wie viele Stiche wir (im Team) gewinnen werden, indem wir eine Handkarte mit dem passenden Wert auslegen. Zahlen wir später eine Goldkarte, dürfen wir diese Ansage unterwegs noch korrigieren.

Ungewöhnlich ist, dass bei „Aurum“ das Bedienen verboten ist! Wir dürfen also nur eine der fünf Farben in den Stich geben, die noch nicht darin liegt. Kann dies jemand nicht mehr, endet die Partie sofort und es wird gewertet. Dies kann man sich durchaus zunutze machen und die anderen so überraschen. Die schwächste Karte im Stich erhält meist eine Goldkarte, die stets als Trumpf eingesetzt werden kann. Wer sie bis zum Ende aufspart, kann damit aber auch Punkte für die Wertung machen. Denn dann zählen die Stiche nur, wenn man mindestens die angesagte Zahl erreicht hat. „Aurum“ ist eine sehr elegante Spielidee mit vielen Fußangeln, die man für die Mitspieler auswerfen kann. Einfach zu beherrschen ist es nicht, aber der Reiz ist hoch, dies zu tun.

„Aurum“ von Shreesh Bhat (Strohmann); für 3-4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 30-45 Minuten, ca. 16 Euro.

nett         Könnerspiel

Besprechung mit vergünstigtem Kaufexemplar


Warnung vor dem Frosch: Rebel Princess

Die Spielgeschichte von „Rebel Princess“ ist überragend. Genervte Märchenprinzessinnen wollen einfach nur feiern, ohne von schleimigen Prinzen mit Heiratsanträgen behelligt zu werden. Leider haben sich die Herren Blaublüter doch auf die Party geschlichen. Und so gilt es, möglichst wenige Anträge von ihnen zu kassieren, um nach der Fete immer noch Single zu sein. Das gelingt, indem man am Ende möglichst wenige Prinzenkarten in den gewonnenen Stichen hat. Außerdem ist auch noch ein Frosch unterwegs. Wer den küsst, bekommt gleich fünf Minuspunkte.

Das hört sich alles großartig an, wer „Rebel Princess“ spielt, wird sich aber bald wundern: Das ist so durchaus bekannt. Das Spiel ist eine Überarbeitung des Kartenspieles „Hearts“, das man auf jedem Windows-Rechner und online kostenlos spielen kann. Die Autoren haben sich zwei Veränderungen ausgedacht: In jeder der genau fünf Runden gilt eine neue Sonderregel. Das bringt durchaus Pfeffer ins Spiel. Allerdings wählt in der kompletten Version jeder auch noch zusätzlich eine Prinzessin aus, deren individuelle Fähigkeit einmal pro Runde eingesetzt werden kann. Hier wird es nun endgültig unübersichtlich. Man muss Stichspiel, wechselnde Sonderregel plus vier Fähigkeiten im Kopf behalten. Das ist nur etwas für Stichspiel-Enthusiasten. Mir ist das eine Umdrehung zu viel, denn das Spiel läuft nicht mehr flüssig. Mir reicht „Rebel Princess“ deshalb ohne die Charaktere. Das ist dann aber wieder reichlich nah am bekannten Vorgänger.

„Rebel Princess“ von Daniel Byre, Gerardo Guerrero, Kevin Peláez & Tirso Virgós (Wonderbow); für 3-6 Spieler ab 10 Jahren, ca. 40 Minuten, ca. 18 Euro.

geht so         Kennerspiel

Besprechung mit Kaufexemplar


Schubserei mit Dämonen: Kabaal

Was Stichspiele noch so alles können, zeigt „Kabaal“. Mit den Stichen, die wir hier machen, bringen wir unsere Spielfiguren auf den Tisch. Sobald drei in einer Reihe oder Spalte stehen, kommen wir unserem Ziel näher, unseren Kult zum erfolgreichsten zu machen und einen Dämonen zu beschwören. Das muss uns allerdings dreimal gelingen. Und die anderen Kultisten haben da etwas gegen: Artefaktkarten, die uns nicht wirklich weiter helfen. Denn jede Karte im Stich zeigt ein Feld an, auf das eine Spielfigur eingesetzt werden kann. Höchstens zwei pro Stich kommen so auf den Tisch.

Das hört sich spannend an, es folgen jedoch mehrere „Aber“: Zum einen müssen wir alle Figuren abräumen, sobald wir einen Dreier erzeugt haben. Der Neuaufbau dauert, und passen die Karten nicht, kann man hier ganz schön in die Röhre schauen. Nicht umsonst gilt die Mitleidsregel, dass man ein Figur einsetzen darf, falls man ohne jeden Stich aus einer Runde geht. Da aber die Figuren geschubst werden, sofern sie Einsetzfelder blockieren und dass dies sogar derjenige tut, der eine 1 in einen Stich gelegt hat, führt zu kaum kontrollierbaren Veränderungen. Eine längere Planung ist kaum möglich, es gilt, aus der Situation das Beste zu machen. Hier verbrauchen wir viel Gehirnschmalz für wenig Einfluss.

„Kabaal“ von Werner Schmitt (Corax); für 2-4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 40 Minuten, ca. 20 Euro.

bescheiden   Kennerspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster

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