Blumen, Ratten und Wikinger
- Neue Kartenspiele

Kartenspiele sind Wundertüten: In den kleinen Boxen kann so ziemlich alles stecken. Vom einfachen, schnellen Ablegespiel über pfiffiges Kartensammeln bis hin zur abendfüllenden Beschäftigung, mit der man einfach nicht aufhören kann. Ich stelle hier gleich neun neue Kartenspiele vor – da sollte für jeden Geschmack und jeder Spielstärke etwas dabei sein.

Hinterhältige Zockerei: Ratjack

Es ist vertrackt: Im Ratcity Casino haben wir nur eine Karte auf der Hand und ziehen eine zweite. Sie zeigen Zahlen von 1 bis 12. Und jetzt? Spielen wir eine der Karten offen in unsere Auslage und dürfen dann die spezielle Aktion der Ratten, Wiesel oder anderer Nagetiere darauf machen. Das Problem ist, dass wir nie mehr als 25 Punkte haben dürfen, sonst scheiden wir aus der Runde aus. Also die Karte lieber doch verdeckt ablegen? Schließlich können wir sie später vielleicht noch aufdecken. Dazu müssen wir nur eine Handkarte abwerfen.

Beim hinterhältigen „Ratjack“ spielt man entweder für sich – bei genau 25 bekommen wir einen Siegpunkt – oder wir kneifen unsere Mitspieler. Kicken wir einen von ihnen über die Grenze, bekommen wir auch einen Punkt. Und wenn wir der Letzte in einer Runde sind, ebenfalls. Zusätzlich sind in dem toll ausgestatteten Spiel dicke Chips, mit denen wir die Werte von Karten verändern können. Hier kann nach Herzenslust getrickst werden. Und hat man das Basisspiel im Griff, gibt es noch zwei Kartensätze mit weiteren Gemeinheiten. Großartig.

„Ratjack“ von Maxine Mercier & Matthieu Can (Frosted); für 2-4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 23 Euro.

schön       Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Einfacher und doch kniffelig: Die Crew Family

Das großartige kooperative Stichspiel „Die Crew“ wurde 2020 zurecht zum Kennerspiel des Jahres gewählt. Weil aber Stichspiele viele Einsteiger vom Mitmachen abhalten, gibt es jetzt „Die Crew Family“. Hier ist das gemeinsame Kartenablegen ein wenig wie beim altbekannten „Mau-Mau“. Das ist aber nur anfangs simpel, bald schon zieht das Spielniveau deutlich an. Wir sollen hier gemeinsam Aufgaben erfüllen und bestimmte der 21 Karten im Spiel in der richtigen Reihenfolge ausspielen.

Das ist gar nicht so einfach, wenn sie nicht richtig verteilt sitzen. Wie tricksen wir das Spiel also aus? Indem wir mal auf unseren Zug verzichten, was aber nur selten geht. Indem wir Sonderkarten spielen, die es uns erlauben, auch nicht passende Karten abzulegen. Indem wir unseren Mitspielern eine unserer Handkarten zeigen, damit sie besser planen können. Das alles ist eingespannt in eine Geschichte, laut der wir nach einem Piratenüberfall auf einer Insel gelandet sind. Um dort wegzukommen, werden die Aufgaben immer schwieriger. Und zwar so, dass auch Spielekenner mit der „Family“-Version von „Die Crew“ einen vergnüglichen Abend erleben.

„Die Crew Family“ von Thomas Sing (Kosmos); für 3-5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 15 Minuten, ca. 15 Euro.

nett         Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Tanz ums Lagerfeuer: Elawa

In „Elawa“ sind wir Oberhaupt eines prähistorischen Stammes. Den wollen wir vergrößern, indem wir weitere Stammesmitglieder aufnehmen oder Hütten bauen. Dazu benötigen wir Werkzeuge und Vorräte. Die liegen als Ressourcenchips gestapelt neben insgesamt sechs Kartenpacken. Am Zug wählen wir eine Karte aus: Eine Zahl darauf zeigt, wie viele Chips wir im Uhrzeigersinn zusätzlich einsacken dürfen. Mit ihnen können wir die gewählte oder auch weitere Handkarten ausspielen. Die bringen bei Spielende Punkte.

Meist aber können sie noch mehr: Auf manchen Karten können wir Ressourcen sammeln, andere bringen uns Punkte für passende Karten. Bald schon entsteht vor uns ein kleiner, gut funktionierender Stamm – allerdings nur, wenn das Kartenglück das zulässt. Beliebt ist es, eine Extra-Ressource zu bekommen, wenn man einen Stapel mit Chips komplett leert. Dann erhalten wir einen Zusatzchip vom Lagerfeuer in der Tischmitte. So eine Vorlage will man natürlich dem Nächsten nicht unbedingt hinterlassen. Dieser Tanz ums Lagerfeuer macht am meisten Spaß zu zweit, mit mehr Menschen am Tisch wird es doch sehr zufällig. Durch die Optik der Auslage hat man bei „Elawa“ das Gefühl, mehr als ein Kartenspiel zu spielen.

„Elawa“ von Johannes Goupy & Corentin Lebrat (Kobold); für 2-4 Spieler ab 8 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 19 Euro.

geht so     Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Blumenwiese im Selbstbau: Floral

Das Kartenspiel „Floral“ benötigt Platz, auch wenn es in einer Minischachtel daherkommt. Darin 85 Karten, jeweils unterteilt in sechs Felder mit Blumen. Die gibt es in sechs Farben. Unsere Aufgabe ist es, vor uns eine persönliche Blumenwiese zu bauen, die uns möglichst viele Punkte einbringt. Erste Aufgabe dafür: Eine unserer drei Handkarten so an unsere Wiese anlegen, dass sie mindestens zwei bereits ausliegende Blumenfelder überdeckt. Haben wir dies geschickt arrangiert, können wir nun vielleicht punkten.

In der Mitte liegen weitere Blumenkarten. Auf jeder davon ist eine Blumensorte markiert. Wir können sie erhalten, wenn wir nach unserem Anlegen von dieser Blumensorte die meisten aneinander hängenden Felder in unserem eigenen Garten haben. Danach legen wir eine weitere Karte als neuen Auftrag in die Mitte. Haben wir gut geplant, können wir den vielleicht im nächsten Zug selbst erfüllen. Zum Schluss wird es in diesem ruhigen Legespiel trickreich: Alle der dann recht zahlreichen Aufträge in der Mitte werden noch vergeben Und alle dürfen noch eine Handkarte zusätzlich werten. Das hört sich harmlos an, „Floral“ ist aber etwas für Tüftler mit einem guten Blick für Zusammenhänge.

„Floral“ von James Newman (Edition Spielwiese); für 1-5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 15-25 Minuten, ca. 13,50 Euro.

nett         Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Auf die Reihe bekommen: Up or Down

Karten mit Zahlen auf- oder absteigend sammeln: Was ist daran so spannend? Das pfiffige „Up or Down“ zeigt es uns nach nur wenigen Zügen. In jedem bekommen wir eine neue Karte aus der Mitte. Wir dürfen aber nicht irgendeine der sechs dort nehmen. Vielmehr spielen wir eine Karte von der Hand aus. Deren Wert bestimmt, wo sie in der numerisch aufsteigenden Runde einsortiert wird. Und jetzt bekommen wir eine der beiden benachbarten Karten. Da wir meist bestimmte im Auge haben, tüfteln wir bald, ob wir sie wenigstens beim nächsten Mal ergattern können.

Denn jede erhaltene Karten müssen wir sofort anlegen: aufsteigend oder absteigend. Wir dürfen sie aber nur am Ende unserer drei persönlichen Reihen sammeln. Können wir eine Karte gar nicht platzieren, müssen wir eine ganze Reihe abreißen. Das gibt deutlich weniger Punkte, als wenn wir eine lange Reihe sammeln und darin dann noch möglichst viele Karten der gleichen Farbe. „Up or Down“ scheint simpel und ist dann doch so vertrackt. Und wer ein bisschen auf die Nachbarn schaut, kann denen schön die Tour vermasseln. Das löst richtig Emotionen aus! „Up or Down“ ist einfach zu erklären, aber schwierig zu gewinnen. Dauerbrenner-Potential.

„Up or Down“ von Wolfgang Kramer & Michael Kiesling (Abacusspiele); für 2-6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 30 Minuten, ca. 10 Euro.

schön       Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Drunter und Drüber: Oh No!

Merkkünstler kommen bei „Oh No!“ am besten zurecht. Denn dies ist eine Art „Mau-Mau“ mit Einsatzverzögerung. Alle haben sieben Karten, die sie loswerden wollen. Die legen sie reihum nicht auf einen Stapel, sondern in die Spielschachtel. Das soll verhindern, dass der Packen verrutscht. Denn das ist wichtig: Wir bedienen hier nicht die oben liegende Karte, die wir da sehen und die eine von fünf Obstsorten in fünf Farben zeigt. Nein, das wäre zu einfach. Wir bedienen stattdessen die Karte, die davor ausgespielt wurde, die wir also nicht mehr sehen können!

Liegt also auf einer blauen Erdbeere eine rote Zitrone (das ist hier wirklich so), müssen wir jetzt also eine blaue Karte oder eine mit einer Erdbeere ausspielen. Haben wir keinen Schimmer, legen wir mit gespielter Selbstsicherheit halt irgendetwas ab. Vielleicht merkt es ja niemand? Gibt es aber Protest, wird kontrolliert. Haben wir einen Fehler gemacht, bekommen wir vom Zweifler eine Karte „geschenkt“. War jedoch alles korrekt, strafen wir den Zweifler mit einem Geschenk. Sondersymbole wie „Richtungswechsel“ oder „Aussetzen“ bringen noch mehr Chaos. Das ist lustig, aber nur kurz. Dann steigen meist ein paar Genervte aus.

„Oh No!“ von Ralf zur Linde (Moses); für 2-6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 15 Minuten, ca. 13 Euro.

geht so         Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Wieder da: No thanks!

Vor zwanzig Jahren haben wir ein Kartenspiel gar nicht mehr vom Tisch bekommen: Das großartige Zockerspiel „Geschenkt ist noch zu teuer“ war monatelang der Renner. Jetzt ist es unter dem Titel „No thanks!“ in der dritten Neuauflage wieder da. Und der Name ist weiterhin Programm: Im Spiel sind Zahlenkarten mit den Werten von 3 bis 35. Jede zählt am Ende so viele Miese, wie darauf steht. Man möchte also niemals eine Karte bekommen. Das klappt aber nicht. Wir betreiben deshalb von der ersten Sekunde an Schadensbegrenzung. Dazu haben wir Spielsteine. Jede der Karten, die da angeboten wird, können wir ablehnen, wenn wir einen abgeben. Machen das alle anderen auch, können wir erneut ablehnen.

Irgendwann schnappt sich jemand die Karte und dazu alle Spielsteine aus der Mitte – jeder davon zählt am Ende einen Pluspunkt. Außerdem kann er damit demnächst länger Karten ablehnen als andere. Trickreich ist auch, dass von lückenlosen Kartenfolgen nur die niedrigste Karte Minuspunkte zählt. Bald schon sind so die Karten für die einzelnen am Tisch unterschiedlich wertvoll. Hier kann man die anderen so richtig schön auflaufen lassen. Dass uns dieses spartanische Design 2004 so gut gefallen hat, wundert heute doch ein wenig. Deshalb gibt es nun auch noch Zusatzkarten, die richtig Musik ins Spiel bringen. Und so ist „No Thanks!“ weiterhin eine echte Empfehlung.

„No Thanks!“ von Thorsten Gimmler (Amigo); für 3-7 Spieler ab 8 Jahren, ca. 20 Minuten, ca. 11 Euro.

nett         Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster


Kartenschlacht mit Wikingern: Odin

Eine sehr kleine Spieleschachtel in Baby-blau mit einem niedlichen Wikinger darauf: Hier soll es wirklich um Schlachten gehen, in die wir unsere Truppe schicken? Keine Sorge, so blutig wird es bei „Odin“ nicht. Im Gegenteil: Dies ist eine Art verkapptes Stichspiel, bei dem wir unsere Handkarten mit den Werten von 1 bis 9 in sechs Farben immer wieder neu zusammenstellen. Denn wir müssen die ausgespielten Karten des Spielers davor überbieten. Wir können Karten gleicher Farbe oder gleichen Wertes kombinieren. Auf eine 8 können wir also mit zwei Dreiern eine 33 ausspielen. Und die kann man mit einer 541 überbieten, sofern die drei Karten alle eine Farbe zeigen.

Das hört sich mäßig aufregend an, aber bei „Odin“ kribbelt es nach nur wenigen Zügen. Das liegt daran, dass wir mit jedem Ausspielen weniger Karten auf der Hand haben, aber auch eine aus dem Ausspiel des vorherigen Spielers aufnehmen müssen. Passt die in unser Blatt? Oder müssen wir Unnützes nehmen? Sollten wir vielleicht besser passen? Ziel ist es, in einem Zug alle restlichen Karten loszuwerden. Dann bekommen alle anderen pro Handkarte einen Minuspunkt. Die Spielidee ist so minimalistisch wie die kleine Verpackung, aber in dem tollen „Odin“ steckt genug Potential für zahllose Wiederholungen.

„Odin“ von Gary Kim, Hope S. Wang & Yohan Goh (Helvetiq); für 2-6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 15 Minuten, ca. 13 Euro.

schön       Familienspiel

Besprechung mit Kaufexemplar


Ärgerspiel mit Füchsen: Fifty Fifty

Zum Schluss noch ein leicht chaotischer Kartenspieltipp für Schadenfrohe: Beim turbulenten Ablegespiel „Fifty Fifty“ kann man die Mitspieler so richtig schön reinreiten. Im Spiel sind Zahlenkarten mit den Werten von 1 bis 100. Wir legen sie reihum ab und bilden so eine aufsteigende Reihe. Wer die höchste Karte nicht überbieten kann, bekommt alle ausliegenden Karten als Minuspunkte bis zu derjenigen, die doch niedriger ist als seine eigene. Vielleicht wollen wir stattdessen zocken? Wir können auch eine Fuchskarte spielen. Dann dürfen alle anderen ebenfalls nur noch Füchse ablegen. Bei wem es jetzt hakt, der bekommt die Füchse als Strafe noch obenauf.

Zwei Tricks ermöglichen Überraschungen: Passt unsere Zahlenkarte zwischen die Letzte und Vorletzte in der Reihe, kann man die Letzte ersetzen. Ist sie lila, behält man sie. Ist sie aber orange, „verschenkt“ man sie an den Spieler davor und legt noch eine weitere obenauf. Noch übler ist der Fünfzigersprung, wenn man also eine Karte mit einem Wert +/-50 zur vorherigen spielt. Danach sind nur noch Füchse erlaubt. Und wer jetzt patzt, bekommt die komplette Reihe! Bei diesem Durcheinander die kleinen Zahlenwerte auszuspielen ist eine echte Aufgabe. „Fifty Fifty“ ist massiv glücksabhängig und nur mässig steuerbar. Aber man kann andere prima ärgern. Wenn man das mag.

„Fifty Fifty“ von Steffen & Florian Benndorf (Kendi); für 2-5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 15 Minuten, ca. 14 Euro.

geht so     Familienspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert