Es gehe hier nicht um den Kampf mit dem Schwert, sondern um das „Kultivieren der Einzigartigkeit Deines Stammes“. Da sind wir doch dabei! Sollte das opulent ausgestattete „Minos – Anbruch der Bronzezeit“ also wirklich auf Kloppereien verzichten? Schauen wir doch mal, ob alle Kreter lügen.
Liegt alles an Material auf dem Tisch, ist er voll. Allein der riesige Spielplan ist nur unwesentlich kleiner als die Insel Kreta. Darauf eine Landkarte, über die wir mit unseren Armeen ziehen (also doch!), drei große Fortschrittsleisten, die wir erklimmen wollen, und auch noch Handelsrouten für Schiffe. Dazu Ablageflächen für dicke Packen mit Karten sowie für Würfel in vier Farben, das zentrale Element des Spieles.
Binnen vier Runden machen wir jeweils nur vier Aktionen – 16mal ziehen, das hört sich recht übersichtlich an. Doch bevor es aber so weit ist, gibt es jede Runde eine Planungsphase. In der suchen wir reihum viermal je einen Würfel aus, markieren ihn in unserer Farbe und ordnen ihn einer Aktion zu: Bauen, Expandieren (soso!), Bewegen, Karten ziehen oder ausspielen.
Diese Planung dauert, denn sammeln wir genügend Augen auf Würfeln gleicher Farbe, steigen wir auf einer Fortschrittsleiste auf. Graue Würfel sind Joker. Schaffen wir zwei Aufstiege? Dafür brauchen wir große Zahlen. Doch der niedrigste Würfel kann eine Aktion am besten erledigen. Ein Dilemma. Vor allem, weil höhere Würfel durch niedrigere verschoben werden. Haben alle ihre Würfel ausgesucht, arbeiten wir sie immer reihum – beginnend mit unserer jeweils höchsten Augenzahl – ab.
Wir hantieren mit reichlich Material. Zwei Währungen, Geld und Waffen (sieh an!), temporären und permanenten Rohstoffen. Wir spielen Karten aus für zusätzliche Aktionen, Vorteile und Siegpunkte. Wir bauen Bauernhöfe, Städte, Türme und Schiffe für Handelsrouten . Unsere Armeen marschieren in Nachbarregionen, übernehmen dort aber nur Mehrheiten, verprügeln Seevölker (na also!) oder treiben Rohstoffe als Steuern ein.
Das ist gut verwoben, es dauert nur, bis man die Übersicht hat. In den ersten beiden Runden ist „Minos“ ein Mangelspiel, man muss sich Rohstoffe gut einteilen und einsetzen, um voranzukommen. In Runde drei rollt es dann richtig, man steht im vollen Saft, baut fast das eigene Material-Tableau leer. Das ist gut.
Doch dann folgt Runde vier. Alle schwimmen in Material und Einkommen. Bestimmte Skalen und Bauprojekte sind ausgereizt. Alle stürzen sich auf die Karten, die in rauen Mengen gebaut werden. Hier kippt „Minos“ leider. Mir wären ein oder zwei Züge mehr in Runde drei genug. Wer aber nach drei Runden und zwei Stunden plus die Aussicht hat, jetzt nochmal ein Stündchen dranzuhängen, der passt gern vorzeitig. „Minos“ hat viel Gutes, ist aber eine Runde zu lang.
„Minos – Anbruch der Bronzezeit“ von Stanislav Kordonskiy (Giant Roc); für 1-4 Spieler ab 14 Jahren, ca. 90-150 Minuten, ca. 59 Euro.
geht so Expertenspiel
Besprechung mit Rezensionsmuster
„Ducksch spielt“, ein Blog von Stefan Ducksch mit wöchentlichen Kritiken/Rezensionen zu Brettspielen und Kartenspielen. Ich schreibe über Kinderspiele, Erwachsenenspiele, Familienspiele, Kennerspiele, Könnerspiele und Expertenspiele. Alle Texte und Bilder (c) Stefan Ducksch 2024.