Der Duke von Lonsdale ist das Ziel. Als Duchess an seiner Seite zu sein, das wäre doch was! Doch wie ist das möglich für eine einfache Frau aus dem Volk? Das bitterböse Kartenspiel „Schwarze Witwen“ gibt uns dafür einen klaren Fahrplan. Wer sich hocharbeiten will, muss halt tief graben.
Zu Spielbeginn ist jede von uns mit einem Verlierer aus dem Volk verheiratet: einem Landwirt, Pfarrer oder Professor. Immerhin haben wir kleine Anwesen und kommen zurecht. Gäbe aber der Gatte den Löffel ab, gehörte das alles uns allein! Und ließe sich mit dem kleinen Vermögen als Mitgift nicht ein niederer Adeliger ehelichen?
Also investieren wir nicht nur in unser Anwesen. Vielleicht haben wir ja bei der Kartenauswahl zu Rundenbeginn auch eine Todesursache auf die Hand bekommen: ein Stilett, eine Hutnadel oder das berühmte Erbschaftpulver. Bald ruht so der Verblichene six feet under hinterm Haus und wir sind wieder frei.
Bald schon machen fiese Gerüchte über uns die Runde, unser Ruf leidet. Ist er zu übel, ehelichen uns selbst klamme Aristokraten nicht mehr. Also wieder tugendhaft tun, Wohltätigkeitskarten ausspielen. Leider bekommen wir nur vier neue Karten pro Runde auf die Hand. Und was machen derweil die anderen Damen am Tisch? Hat da nicht eine bereits den schwer reichen Earl of Danby geheiratet? Schaut der sich demnächst die Radieschen von unten an, hat die Kollegin die Nase vorn!
Die Kalkulation, sich vom Gemahl zu trennen, ist wirtschaftlich nachvollziehbar. Bald entsteht in diesem thematisch dichten Spiel hinter unserem Haus ein Privatfriedhof. Jeder Grabstein dort sorgt bei neuen Todesfällen für noch mehr Verruf. Und der Duke selbst heiratet uns nicht nur bei ausreichender Barschaft, sondern verlangt auch nach Ansehen. Auf dieses Ziel spielen alle hin.
Bedarf es vor der ersten Partie noch einiges an Regelverständnis, rollt es bald wunderbar. In den verschiedenen Phasen handeln alle gleichzeitig. So dauert „Schwarze Witwen“ nur eine halbe Stunde. Im spannenden Finale verliert es etwas an Tempo, denn alle tüfteln: Bekommen wir noch eine Runde eher das Geld für den Duke zusammen und unser Ansehen in den Griff?
Spielerisch ist „Schwarze Witwen“ überraschend einfach. Der Wettlauf um den Duke im viktorianischen Britannien verläuft zwar bald schon recht ähnlich. Die satirische Einkleidung ist aber so stark, dass alle am Tisch sehr schnell in ihre Rolle schlüpfen. Wer das mag, kann hier für Story und Atmosphäre noch einen Bonuspunkt obenauf rechnen.
„Schwarze Witwen“ von Sarah Shipp (Corax Games); für 2-6 Spieler ab 14 Jahren, ca. 30 Minuten, ca. 36 Euro.
nett Kennerspiel
Besprechung mit Rezensionsmuster
„Ducksch spielt“, ein Blog von Stefan Ducksch mit wöchentlichen Kritiken/Rezensionen zu Brettspielen und Kartenspielen. Ich schreibe über Kinderspiele, Erwachsenenspiele, Familienspiele, Kennerspiele, Könnerspiele und Expertenspiele. Alle Texte und Bilder (c) Stefan Ducksch 2024.