Herr Bergmann brachte mich zum Briefmarkensammeln. Der Nachbar wohnte eine Etage tiefer. Seine vielen Alben und die Behutsamkeit, mit der er seinen Schätzen zu Leibe rückte, waren für mich als Neunjährigen beeindruckend. Als er mir ein paar „Doppelte“ überließ, war ich infiziert. Das Kennerspiel „Tauschrausch“ müsste also genau meinen Nerv treffen.
In diesem Spiel sind wir auf einem dreitägigen Treffen von Briefmarkensammlern und versuchen, unser Album zu optimieren. Vier Punktevorgaben gibt es , die in jeder Partie wechseln, dazu eine Schlusswertung. Vor jeder der drei Spielrunden kommen neue Marken auf den Markt, zum Teil verdeckt. Reihum nehmen wir immer eine, bis alle sechs haben. Außerdem gibt es Karten mit Sonderfähigkeiten, zusätzliche Endwertungen oder das Startspielerrecht zu ergattern.
Doch was wir da wählen, gehört noch nicht uns. Im zweiten Schritt einer Runde teilen wir unsere Beute in zwei Portionen und bieten sie den anderen an. Beginnend beim Startspieler wählen wir eine Portion eines anderen Sammlers und haben diese sicher. Der Mitspieler darf seine zweite Portion behalten und wählt selbst eine bei jemand anderem.
Danach sortieren wir unseren Fang in unser großes Album mit einem Gitterraster ein. Dabei sollten wir beachten, wofür es Punkte gibt: Mal für bestimmte Markengrößen, dann wieder für Farben oder Serien. Ist alles einsortiert, nutzen wir eine der vier Wertungen einmalig und markieren sie mit einem Ticket. Das spielen wir dreimal, es folgt die Schlusswertung.
Die Idee des Teilens und des Auswählens ist sehr reizvoll. Man schaut sich die Augen aus nach einem guten Fang. Jede Marke hat einen aufgedruckten Wert, der sogar negativ sein kann und am Ende ebenfalls zählt. Und die Lage der Marken auf unserem Tableau muss passen. Späteres Umsortieren wie in den Alben der Sammler gibt es nicht.
Viel mehr Gutes habe ich über „Tauschrausch“ aber nicht zu sagen. Ausgerechnet die hübsch gestalteten Marken, teilweise mit Golddruck, machen das Leben schwer. Beinahe jeder Mitspieler rätselt, was da auf der Marke zu wohl sehen ist, zu welcher Serie sie gehört. Erkennen kann man das auf der anderen Tischseite nicht. Das Spiel stockt auch bei den Texten auf den Spezialistenkarten, die nur in einer Richtung lesbar sind. Überblick geht anders. Und angesichts des antiquierten Themas muss man sehr viel Überredungskunst aufwenden, um Mitspieler zu finden.
Ich habe etwas mehr als zehn Jahre lang Briefmarken gesammelt. Als die Deutsche Bundespost 1990 nach der Einheit glaubte, ihren Ausstoß auch noch um die Menge der DDR-Marken erhöhen zu müssen, wurde mir das zu teuer. Ich habe alle Marken verklebt und so als Student Geld gespart. Gut, dass Herr Bergmann das nicht mehr mitbekommen hat. Heute benutze ich, wie viele andere, kaum noch Briefmarken. „Tauschrausch“ wird das gleiche Schicksal treffen.
„Tauschrausch“ von Paul Salomon (Feuerland); für 1-5 Spieler ab 10 Jahren, ca. 40-60 Minuten, ca. 40 Euro.
geht so Kennerspiel
Besprechung mit Rezensionsmuster
„Ducksch spielt“, ein Blog von Stefan Ducksch mit wöchentlichen Kritiken/Rezensionen zu Brettspielen und Kartenspielen. Ich schreibe über Kinderspiele, Erwachsenenspiele, Familienspiele, Kennerspiele, Könnerspiele und Expertenspiele. Alle Texte und Bilder (c) Stefan Ducksch 2024.