Runen des Grauens
- Inori

Das Kennerspiel „Inori“ rührt bei mir offenbar an einem Kindheitstrauma: Kaum hatte ich als minderbegabter Baumeister einen Turm aus Bauklötzen fertig, warf ein anderes Kind ihn wieder um. Genau das geschieht auch hier: Wir machen uns mehr als eine halbe Stunde intensiv Gedanken – und kurz vor Schluss spielt jemand gehortete Runenplättchen aus und zieht alles wieder auf links.

In der etwas schwurbeligen Rahmengeschichte sitzen wir mit Waldgeistern unter dem Großen Baum und bringen ihnen Opfergaben dar, damit sie uns wohlgesonnen sind. Mit dem richtigen Arbeitereinsatz sammeln wir so Gunstmarker, die am Ende hoffentlich etwas wert sind. Denn zeitgleich fummeln wir auch noch an den Bedingungen für die Schlusswertung herum.

Das erscheint anfangs spannend und spielt sich zunächst auch so. Wir setzen unsere drei, später mehr Figuren reihum auf hübsch gestaltete Karten. Auf den Einsetzplätzen bekommen wir farbige Gunststeine oder sofort Siegpunkte. Ist eine Karte komplett, wird sie bei Rundenende abgerechnet: Dann erhalten alle, die mitgemacht haben, für die Farben weitere Punkte. Ist sie aber nicht komplett, geschieht nichts.

Dieses Dilemma ist reizvoll. Denn lassen mich andere auf einer Karte allein, muss ich viel Aufwand betreiben, um sie in die Wertung zu bekommen. Es gilt also, die anderen gut im Auge zu behalten und zu erkennen, wer wohl gleiche Interessen hat. Dass unter dem großen Baum ebenfalls Figuren eingesetzt werden können, die die Schlusswertung beeinflussen, macht das Spiel zu einer spannenden Aufgabe für Kenner.

Nach jeder Runde bekommen wir eine zusätzliche Figur, die gespielten Karten vom Plan werden ersetzt. Am manchen Stellen kostet uns der Figureneinsatz Gunststeine, aber die sind oft gut investiert. Und manchmal erhalten wir verdeckte Runenplättchen. Und damit beginnt der Ärger.

Natürlich kann man diese während der Partie einsetzen, um bei einer Abrechnung einen Gunstmarker mehr zu bekommen. Chaotisch wird es aber, wenn uns in diesem vom Timing her recht sauber verregelten Spiel plötzlich nicht nur erlaubt wird, sich auf einen belegten Platz dazuzustellen, sondern fremde Figuren auf andere Felder oder sogar Karten zu verschieben. Schlimmer noch: Es ist ausdrücklich erlaubt, mehrere dieser Runenplättchen zugleich einzusetzen.

So sparen sich alle die Dinger bis kurz vor einer Rundenwertung, meist aber bis kurz vor Spielende auf. Danach ergeben sich geradezu alptraumartige Verschiebungen auf dem Plan, sodass man sich fragt, warum man hier eigentlich eine halbe Stunde lang darüber gehirnt hat, wie man an Punkte kommt. Ohne die Runen des Grauens wäre „Inori“ ein etwas unterkühlt gestaltetes Spiel mit einer interessanten Aufgabe. So ist es ein Ärgernis, das bei mir nicht mehr auf den Tisch kommt.

„Inori“ von Matthieu Aubert & Théo Rivière (Space Cowboys); für 2-4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 40 Minuten, ca. 40 Euro.

bescheiden         Kennerspiel

Besprechung mit Rezensionsmuster

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert