Wie bekommt man in ein einfaches Kartenspiel Atmosphäre? Mit hübschen Spielkarten zum Beispiel. Das ist beim Familienspiel „Hof-Verrat“ schon einmal gelungen. Außerdem dachte man sich beim Verlag, man könnte doch statt eines Spielplans eine Art altertümlichen Gobelin als Matte in die schmale Box rollen. Clevere Idee. Hat nur den Haken, dass sich das Ding wellt, wenn man es nicht unmittelbar vor der Partie bügelt.
Der Gobelin wird aber gebraucht. Er zeigt den Hof, an dem gleich sechs Familien um Einfluss buhlen. Wir legen reihum Karten ab – liegen bei Spielende bei einer Familie mehr oberhalb des Hofes als darunter aus, gilt sie als „angesehen“. Sonst ist sie „in Ungnade gefallen“. Mit der Konsequenz, dass die Karten der Familie, die wir direkt vor uns selbst gesammelt haben, dann auch Punkte oder Miese bringen.
Wir haben immer genau drei Karten auf der Hand, die wir am Zug alle ausspielen müssen. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen, das kennen wir seit Aschenputtel. Also sacken wir Vielversprechendes ein und spielen es farbenrein sortiert in unsere persönliche Auslage. Die zweite Karte packen wir in die Mitte an den Hof, wo sie uns später hoffentlich Punkte garantiert oder andere Mitspieler in den Kakao reitet. Und die dritte Karte? Die spendieren wir einem Mitspieler. Auch, wenn der sie gar nicht haben will.
Ungerechterweise haben wir häufig drei gute Karten auf der Hand, und müssen so Brauchbares verschenken. Noch blöder: Wir ziehen dreimal Grütze und eine davon landet dann bei uns. Zum Glück gibt es noch Sonderaktionen. Der Assassine meuchelt eine unerwünschte Karte in dem Bereich, in dem er abgelegt wird. So können wir Grütze bei uns auslöffeln – oder Punkteträchtiges aus der Auslage der Konkurrenz chirurgisch sauber entfernen.

Wächterkarten können nie entfernt werden, Adelskarten zählen doppelt und Spione werden verdeckt gespielt und erst bei Spielende – Überraschung! – aufgedeckt. Daraus ergibt sich ein flottes, kurzweiliges Gezerre, bei dem man hirnt und grübelt, wie man etwas tut. Im Spiel in voller Besetzung haben allerdings die drei Nachfolgenden meist das ganze Tableau auf links gezogen und aus unseren Favoriten eine Looser-Truppe gemacht, bis wir wieder dran sind.
Daraus folgt: „Hof-Verrat“ ist nichts für Tüftler und Menschen mit ausgeprägtem Planungswunsch. Wer im Moment lebt, gern Gelegenheiten ergreift und auch kleinen Intrigen sowie der Schadenfreude darüber etwas abgewinnen kann, ist hier allerdings an der richtigen Stelle. Vorausgesetzt, er besitzt ein Bügeleisen.
„Hof-Verrat“ von Romaric Galonnier & Anthony Perone (Huch); für 2-5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 20-30 Minuten, ca. 20 Euro.
nett
Familienspiel
Besprechung mit Rezensionsmuster
„Ducksch spielt“, ein Blog von Stefan Ducksch mit wöchentlichen Kritiken/Rezensionen zu Brettspielen und Kartenspielen. Ich schreibe über Kinderspiele, Erwachsenenspiele, Familienspiele, Kennerspiele, Könnerspiele und Expertenspiele. Alle Texte und Bilder (c) Stefan Ducksch 2024.
„Nichts für Tüftler“ ist eine elegante Umschreibung für „Bier&Brezel Spiel bei dem es drunter und drüber geht 😅
Hof-Verrat ist ein astreines Ärgerspiel und als solches funktioniert es ganz wunderbar. Wer an einem knapp eine halbe Stunde dauernden Scharmützel seine Freude hat, ist hier genau richtig.